Zeugenbeistand wird bedeutsamer

Seit Ende 2017 gilt eine neue Regelung bezüglich der Verpflichtung von Zeugen an Vernehmungen teilzunehmen. Bisher musste ein Zeuge einer polizeilichen Ladung nicht nachkommen. Verpflichtend war eine Aussage nur bei einer staatsanwaltlichen oder gerichtlichen Ladung. Mit dem neuen § 163 III StPO sieht die Sache nun anders aus. Hiernach kann auch die Ladung zur Zeugenvernehmung bei der Polizei verbindlich sein, wenn sie als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft tätig wird und ein staatsanwaltschaftlicher Auftrag (der wohl recht schnell, notfalls telefonisch, zu erhalten sein wird) zu Grunde liegt.  Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft sind in Hessen nach § 152 II GVG i.V.m. § 2 StAErmittPVO diverse Schutzpolizei -und Kriminalpolizeibedienstete.

Von erheblicher praktischer Bedeutung ist diese Änderung, da man auch als Zeuge schnell in die Schusslinie der Ermittlungsbehörden geraten kann, sei es weil man selbst mit der Tat zu tun hat oder bei einer wahrheitsgemäßen Zeugenaussage andere, eigene Straftaten aufdecken würde. Trotzdem ist man als Zeuge zur Aussage verpflichtet. Wann und bei welchen Fragen genau ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht wird der juristische Laie kaum erkennen und noch weniger durchsetzen können.

Nach der bisherigen Rechtslage wurde dieses Problem umgangen, indem solcherlei problematische Zeugenvernehmungen schlichtweg nicht wahrgenommen wurden. Die Akte ging dann irgendwann an die Staatsanwaltschaft und der Rechtsanwalt des Zeugen konnte vor der Pflichtaussage vor Gericht Akteneinsicht nehmen. Danach konnten die Risiken gut eingeschätzt und Strategien entworfen werden.

Heute wird einem Zeugen zu raten sein, zu einer Zeugenvernehmung nach § 163 III StPO einen anwaltlichen Zeugenbeistand mitzunehmen, wenn eine eigene Strafbarkeit auch nur ansatzweise in Betracht kommt.

Besonders deutlich wird die Problematik, wenn man sich in diesem Zusammenhang aktuelle BGH Rechtsprechung, ebenfalls von Ende 2017, ansieht. Nach dieser haben Strafverfolgungsbehörden einen Zeugen erst dann als Beschuldigten zu behandeln, wenn sich der Verdacht gegen ihn so verdichtet hat, dass der Zeuge ernstlich als Täter der zu ermittelnden Straftat in Betracht kommt. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums sollen erst dann überschritten sein, wenn trotz starken Tatverdachts nicht von der Zeugenvernehmung zur Beschuldigtenvernehmung gewechselt wird und auf diese Weise die Beschuldigtenrechte umgangen werden (vgl. BGH Beschl. v. 7.9.2017 – 1 StR 186/17).

Das bedeutet, dass der Täter einer Straftat zunächst als Zeuge zur Vernehmung geladen wird, dort aufgrund der neuen Gesetzeslage ggf. erscheinen und aussagen muss, dabei Angaben macht, die ihn als Täter überführen und erst dann auf seine Beschuldigtenrechte zugreifen kann. An diesem Punkt werden die aber oft nicht mehr helfen.

Auch wenn sich diese neue Rechtslage bisher noch nicht bis zu allen Polizeidienststellen rumgesprochen hat, ist damit zu rechnen, dass dies irgendwann geschehen und diese solcherlei umfassende, neue Möglichkeiten zu nutzen wissen werden.