Neuigkeiten

Illegale Straßenrennen

Der Bundestag hat am 29.06.2017 ein Gesetz verabschiedet, nach dem die Teilnahme an illegalen Straßenrennen zur Straftat wird. Bisher handelte es sich in der Regel nur um eine Ordnungswidrigkeit. Auch die Organisation oder der diesbezügliche Versuch wird unter Strafe gestellt.
Insbesondere wird auch die Fahrt eines einzelnen Fahrers unter Strafe gestellt, wenn diese die Züge eines Rennens trägt. Bloße Geschwindigkeitsverstöße bleiben aber eine Ordnungswidrigkeit.
Der Strafrahmen sieht bis zu zwei Jahre oder Geldstrafe für den Regelfall vor, bis zu fünf Jahre bei der Gefährdung von Leib und Leben eines Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert (was in einem Straßenrennen sehr leicht verwirklicht werden kann), und bis zu zehn Jahre bei schweren Folgen wie der Tötung oder schweren Verletzung anderer Menschen. (Mehr Informationen auf der Seite des Bundestags.)

Leseweisung

Im Jugendstrafverfahren gilt der Erziehungsgedanke, weshalb Jugendrichter einen deutlich weiteren Spielraum bei der Verhängung von Maßnahmen haben als im Erwachsenenstrafrecht. Vom AG München wurde einem Heranwachsenden mit Urteil vom 08.06.2017 unter Aktenzeichen 1022 Ds 463 Js 134042/17 jug, wegen wiederholter Fahrt ohne ordnungsgemäß befestigtes Kennzeichen, eine Leseweisung erteilt. Auch wenn von mir für diesen Einzelfall mangels genauerer Kenntnis der Umstände nicht beurteilt werden kann, wie sinnvoll diese Maßnahme war, so wäre doch wünschenswert, dass generell in Jugendstrafverfahren mehr auf die individuellen Erziehungsbedürfnisse der jugendlichen Delinquenten eingegangen wird, um den gesetzgeberichen Erziehungsgedanken auch in die Tat umzusetzen und dem Vorwurf zu begegnen, dass Jugendstrafrecht im Grunde nur eine, im Vergleich zum Erwachsenenstrafrecht, geringere Bestrafung bedeutet. Dies würde auch manchem Jugendrichter den Impuls ersparen, durch drakonische Maßnahmen eine vermeintlich angemessene Bestrafung zu erreichen, die aus erzieherischer Sicht meist kontraproduktiv ist.

„Digitaler Hausfriedensbruch“

Das Justizministerium Rheinland-Pfalz dringt auf einen neuen Straftatbestand des „digitalen Hausfriedensbruchs“. Eine entsprechende Initiative des Bundesrats liegt bereits seit geraumer Zeit vor. Eine Ergänzung bzw. Modernisierung der bisherigen Gesetzeslage scheint meiner Auffassung nach sinnvoll. Zwar sind wesentliche Bereiche der Computerkriminalität durch das allgemeine Strafrecht und insbesondere § 303b StGB (Computersabotage) abgedeckt, jedoch ist insbesondere dieser nur anwendbar, wenn es um Datenverarbeitungsprozesse von wesentlicher Bedeutung geht. Bis auf Ausnahmefälle sind daher der heimische Privatcomputer und weitere angreifbare, weil mit dem internet verbundene, Privatgeräte nicht erfasst.

Bei Fragen zur Strafbarkeit von Computerkriminalität wenden Sie sich an Rechtsanwalt Martin Riebeling.

Bundestagsbericht zur Mediation

Die Bundesregierung hat in ihrem „Bericht über die Auswirkungen des Mediationsgesetzes auf die Entwicklung der Mediation in Deutschland und über die Situation der Aus- und Fortbildung der Mediatoren“ (BT-Drs. 18/13178) festgestellt, was im Grunde jedem Praktiker bereits bewusst war. Die Mediation wird so gut wie nicht genutzt. In der Praxis einer mittelständigen Kanzlei werden Streitschlichtungen und Mediationen in der Regel nur dann wahrgenommen, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben sind oder vom Gericht mit Nachdruck empfohlen werden.

Fahrverbot bei Straftat

Fahrverbote waren bisher als Sanktion nur bei Verkehrsdelikten möglich. Am 22.06.2017 hat der Bundestag eine Gesetzesänderung verabschiedet, nach der ein Fahrverbot von bis zu sechs Monaten auch bei allen anderen Straftaten verhängt werden kann. Ich (Rechtsanwalt Martin Riebeling) gehe davon aus, dass diese Möglichkeit insbesondere im Jugendstrafrecht gegenüber Heranwachsenden als erzieherisches Mittel genutzt werden wird.

Dashcams (Autokameras)

Das OLG Stuttgart hält in konkreten Einzelfällen die Aufnahmen von sogenannten Dashcams (Kameras die im Auto eingesetzt werden um Unfälle zu dokumentieren) für gerichtlich verwertbar. Anlass der Aussage war ein Rechtsstreit über einen Verkehrsunfall. Damit handelt es sich um die erste solche Entscheidung eines Oberlandesgerichts in Deutschland. Zuvor hatte das OLG Stuttgart im Jahr 2016 bereits ähnlich in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren entschieden, wonach eine Aufzeichnung zur Klärung schwerer Ordnungswidrigkeiten im Einzelfall zulässig sein soll. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu diesen Themen liegt noch nicht vor.

Zu beachten ist aber auch das Datenschutzrecht, so dass es bei Aufnahmen von Dashcams unabhängig von der Frage der gerichtlichen Verwertbarkeit Probleme mit dem Bundesdatenschutzgesetz geben kann, die auch rechtliche Folgen, wie etwa einen Unterlassungsanspruch nach sich ziehen können.

Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens

Am 07.07.2017 hat der Bundesrat das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens gebilligt (BR-Drs. 527/17 (B)). Die bisher vermisste Rechtsgrundlage für Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung ist damit geschaffen. Insbesondere wegen deren Verschlüsselung beliebte Messengerdienste sind damit nicht mehr so stark vor dem verdeckten Zugriff der Ermittlungsbehörden geschützt wie bisher.

Neue Regelung zur Rettungsgasse

Bei stockendem Verkehr oder Stau auf Autobahnen oder Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen war nach § 11 StVO schon immer eine Rettungsgasse zu bilden. Ein Verstoß war und ist eine Verkehrsordnungswidrigkeit. Daher sollte jeder Fahrer wissen, wie und wo diese Gasse zu bilden ist. Aufgrund einer Änderung der zugrundeliegenden Vorschrift weise ich darauf hin, dass die Rettungsgasse nach dem neuen § 11 Abs.2 StPO immer zwischen der linken und der unmittelbar rechts daneben liegenden Spur zu bilden ist und nicht mehr wie bisher in der Mitte der Richtungsfahrbahn.

Besserer Schutz gegen Stalking beschlossen

Das Bundeskabinett hat einen Gesetzesentwurf beschlossen mit dem Opfer von Stalkern besser geschützt werden sollen.

Stalking oder Nachstellung wurde erst 2007 mit einem eigenen Straftatbestand unter Strafe gestellt (§ 238 StGB). Schon damals wurde erheblich kritisiert, dass der Tatbestand als Erfolgsdelikt ausgestaltet wurde, also die Lebensgestaltung des Opfers schon schwerwiegend beinträchtigt sein musste um eine verfolgbare Straftat zu haben. Der Schutz von Opfern vor gerade diesen schwerwiegenden Beeinträchtigungen war so kaum möglich.

Nunmehr soll der Tatbestand als Gefährdungsdelikt ausgestaltet werden. Das heißt es soll ausreichen, wenn die Handlungen des Täters objektiv geeignet sind schwerwiegende Beeinträchtigungen hervorzurufen. Diese müssen nicht schon eingetreten sein. Nicht nur Polizei und Staatsanwalt, sondern auch ein Opferanwalt könnte dann viel früher mit realistischen Erfolgsaussichten zum Schutz des Opfers tätig werden.

Zudem soll der Tatbestand der Nachstellung aus dem Katalog der Privatklagedelikte gestrichen werden. Dies erhöht ebenfalls die Chancen einer Verfolgung der Täter, da in der Praxis eine Verweisung auf den Privatklageweg durch die Staasanwaltschaft oft im Ergebnis einer Einstellung des Verfahren gleich kommt.

Bei weitergehenden Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an Rechtsanwalt Martin Riebeling.

Wird ein Bauvertrag vom Auftraggeber „frei“ gekündigt und verlangt der Auftragnehmer Vergütung für nicht erbrachte Leistungen, muss er sich einen von ihm allgemein einkalkulierten Risikozuschlag (Wagnis) nicht als erspart anrechnen lassen (Abweichung von BGH, IBR 1998,50).

Das Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.7.2015 – I-5 U 53/14 wurde vom BGH mit Urteil vom 24.03.2016 – VII ZR 201/15 bestätigt.

BGB § 649 Satz 2; VOB/B (2006) § 8 Nr. 1 Abs. 2

Der vom Auftragnehmer im Rahmen eines Einheitspreisvertrages auf der Grundlage des Formblatts 221 (VHB 2008) kalkulierte Zuschlag für Wagnis ist nicht als ersparte Aufwendung von der Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2006) in Abzug zu bringen, da hiermit das allgemeine unternehmerische Risiko abgesichert werden soll (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 30. Oktober 1997 – VII ZR 222/96, BauR 1998, 185).

BGH, Urteil vom 24.03.2016 – VII ZR 201/15 – OLG Düsseldorf, LG Düsseldorf

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OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.7.2015 – I-5 U 53/14

BGB § 649 Satz 2; VOB/B § 8 Abs. 1 Nr.2

Problem/Sachverhalt

Die Parteien haben nach öffentlicher Ausschreibung einen Bauvertrag über eine Wagenhalle in Form einer „Haus-in-Haus-Konstruktion“ über 379.583,33 € brutto geschlossen und die Regelungen der VOB/B 2006 vereinbart. In dem Formblatt 221 VHB Bund Ausgabe 2008 sind Wagnis und Gewinn allgemein einheitlich i.H.v. 5 % ausgewiesen. Nach Feststellung von erheblichen Schäden an dem Bestandsgebäude im Rahmen des 2. Baustellentermins gab die Auftraggeberin ein Gutachten zur Erfassung der statischen Gesamtsituation in Auftrag. Aufgrund  des Gutachtens kündigte die Auftraggeberin den Werkvertrag 7 Monate nach Vertragsschluss, bevor die Auftragnehmerin Leistungen erbringen konnte. Unter Darlegung ersparter Aufwendungen auf der Grundlage der Urkalkulation verlangt die Auftragnehmerin von der Auftraggeberin unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen Werklohn i.H.v. 155.552,22 €. Ein Wagnis lässt sich die Auftragnehmerin als ersparte Aufwendung nicht anrechnen.

Entscheidung

Entgegen der vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.10.1997 zu Az. VII ZR 222/96 vertretenen Auffassung, der Auftragnehmer müsse nach Kündigung eines Bauvertrages einen von ihm einkalkulierten Risikozuschlag gesondert ausweisen und sich als erspart anrechnen lassen, folgt das Oberlandesgericht der in Rechtsprechung und Literatur zunehmend aufgetretenen Kritik an dieser Entscheidung. Ein etwaiger Wagnis-Zuschlag sei nicht erspart, weil es sich zum einen nicht um Kosten im baubetrieblichen Sinne handele. Das Wagnis sei vielmehr dem Gewinn zuzurechnen, da es die Belohnung für das allgemeine unternehmerische Risiko darstelle. Selbst wenn man dies als spezielles Wagnis eines konkreten Bauvertrages ansähe, sei festzustellen, dass sich dieses Wagnis durch die grundlose Kündigung des Auftraggebers nun gerade verwirkliche, was sich schon durch die erhöhten Kosten für die schwierige Abrechnung und Durchsetzung des Vergütungsanspruches zeige, so dass der damit verbundene Mehraufwand als Risiko entstanden und nicht erspart sei.

Praxishinweis

Der vom Oberlandesgericht Düsseldorf vertretenen Auffassung ist zuzustimmen. Folgt man dem Gesetzeswortlaut, spricht dieser zunächst dafür, die Darlegungs- und Beweislast für ersparte Aufwendungen dem Auftraggeber aufzubürden. Weil der Auftraggeber in der Regel dazu weder in der Lage ist oder sein kann, hat die Rechtsprechung zu Recht die Erst-Darlegungslast zu den ersparten Aufwendungen dem Unternehmer angelastet, weil er allein zu der konkreten Ersparnis entweder auf der Grundlage der Auftragskalkulation und der sich daraus ergebenden kalkulierten Kosten oder auf der Grundlage der tatsächlich angefallenen Kosten konkret vortragen kann.

Soweit der Unternehmer Vergütung für die erbrachten Leistungen verlangt, hat er die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Im Falle eines Pauschalpreisvertrages muss er überdies die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalvertrag geschuldeten Gesamtleistung errechnen wozu in aller Regel eine Aufteilung der Gesamtleistung in Einzelleistungen und eine Bewertung notwendig ist, die den Auftraggeber in die Lage versetzt, sich sachgerecht zu verteidigen. Soweit der Unternehmer Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen verlangt, hat er von den Vergütungsanteilen, die er den nicht erbrachten Leistungen zugeordnet hat, die ersparten Aufwendungen und den anderweitigen Erwerb abzuziehen. Dazu muss er hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen nach Baustellengemeinkosten, allgemeinen Geschäftskosten, Stoff- und Materialkosten, Lohn- und Personalkosten,  und ggf. Nachunternehmerkosten differenzieren.

Unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an die Abrechnung eines gekündigten Werkvertrages realisiert sich für den Unternehmer ganz konkret das Risiko der freien Kündigung durch den Auftraggeber mit der Folge, dass der Unternehmer nicht Aufwendungen erspart, sondern im Gegenteil ganz erhebliche Aufwendungen im Rahmen der Abrechnung tätigen muss, die er im Falle der Vertragsdurchführung nicht gehabt hätte, um den Anforderungen an die Abrechnung eines gekündigten Werkvertrages hinreichend Rechnung zu tragen.

Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, der Unternehmer erspare sich schließlich Risiken wie z.B. unsichere Witterung, Streik, technische Risiken oder Gewährleistung, weswegen es gerechtfertigt erscheine, einen Risikozuschlag als erspart und abzugsfähig anzusehen. Ungeachtet der Frage, inwiefern es sich bei Risiken überhaupt um Aufwendungen i.S.v. § 649 Satz 2 BGB oder § 8 Abs. 1 Nr.2 VOB/B handeln kann, ist dieser Auffassung selbst dann, wenn man überhaupt ein Risiko mit einer Aufwendung gleichsetzen will, entgegen zu halten, dass sich statt dieser Risiken das Risiko der durch die Kündigung konkret entstehenden Aufwendungen schließlich realisiert.

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Johannes Hinkel, Limburg